Zurzeit wird in den sozialen Medien eine Diskussion geführt, ob man als Wissenschaftler*in in nächster Zukunft noch nach China fahren soll.
Thorsten Benner vom Global Public Policy Institute (GPPi) in Berlin hat erklärt, warum er nicht mehr nach China reist. Christian Straube (Stiftung Asienhaus) plädiert dafür, dies weiter zu tun, denn „Widerstand gegen den staatlich forcierten chinesischen Exzeptionalismus und die monolithische Darstellung Chinas im Diskurs zu zeigen“ gelinge nur, „wenn wir „mit China reden“ und nicht, wenn wir wieder in das „über China reden“ zurückfallen.“
Für uns Schullehrerinnen ist es klar, dass wir weiter Schülergruppen zu Partnerschulen nach China begleiten, oder?
Ich bin auf jeden Fall dafür, den Kontakt zur Partnerschule über die Pandemiezeit hinweg aufrechtzuhalten und zu pflegen, um irgendwann – 2023? – wieder mit Schüler*innen nach China zu reisen. Auch wenn die derzeit strengere ideologische Ausrichtung durch die Partei in der Gesellschaft vor der Schule nicht Halt macht, so bietet der Austausch doch ausreichend Raum für ungezwungene unbeschwerte Kommunikation zwischen jungen Menschen, die auf beiden Seiten neugierig sind und größtenteils unvoreingenommen aufeinander zugehen.
Egal, welche Stellung die Gasteltern in der chinesischen Gesellschaft, in Politik oder Wirtschaft einnehmen, egal, wie loyal sich Schulleitung und Lehrerschaft der Kommunistischen Partei verbunden fühlen, wir begegnen ihnen in erster Linie nicht als Funktionsträger, sondern als Privatperson. Es lohnt sich, sie kennenzulernen.
Der Austausch ist bunt und vielfältig. Neben Schulalltag, Familienleben, Alltagsereignissen und kulturellen Highlights können unsere Schüler*innen auch beobachten, wie ihre chinesischen Gastbrüder und -schwestern Patriotismus und individuelle Zukunftsvorstellungen verknüpfen, und können so Rückschlüsse ziehen auf ihr eigenes Verhältnis zu Staat und demokratisch gestalteter Gesellschaft.
Derzeit können wir darauf vertrauen, dass wir in China an der Schule nicht mit politischen Statements überschüttet werden. Wird Staat und Partei gelobt, können wir auf Argumentation, Wortwahl und Habitus achten und das Ganze reflektieren. Sehr schnell wird man zu anderen Themen übergehen.
Ich habe als Begleitlehrerin diesbezüglich nur eine negative Erfahrung gemacht. Es kann passieren, dass man vom chinesischen Gastgeber vereinnahmt wird und man dann – vielleicht sogar eher zufällig – in Publikationen oder Medien (bis hin zum örtlichen Fernsehsender) Statements liest, die einem untergeschoben werden: „Die deutschen Gäste lobten die von Xi Jinping maßgeblich unterstützte Bildungspolitik“, ist da zu lesen oder „Sie waren begeistert von der Sicherheit im öffentlichen Raum, einem Ergebnis des Sozialismus chinesischer Prägung“.
Gut, wenn man dann Chinesisch kann (bzw. jemanden kennt, der einem den Text übersetzt, oder ein Übersetzungs-Tool zur Hand hat). Hier finde ich es wichtig, sich zu distanzieren. Oft liegt das gar nicht im Ermessen der Partnerschule, was geschrieben wird. Gerade dann ist es sinnvoll, höflich und mit Respekt auf diese Vereinnahmung aufmerksam zu machen.
Wir tragen als Schule dazu bei, dass sich junge Deutsche und Chinesen in freundschaftlicher Atmosphäre treffen können. Sie haben später als Erwachsene vielleicht persönlich oder beruflich mit dem Partnerland zu tun. Wer weiß, was in der Zukunft liegt. Wegen der derzeitigen zugegebenermaßen angespannten politischen Wetterlage für die Schüler*innen den Kontakt zu China bzw. Deutschland zu unterbinden, wäre meiner Ansicht nach kontraproduktiv!
Die deutschen und die chinesischen Schüler*innen haben später die Aufgabe und die Chance, gemeinsam globale Probleme anzugehen. Jetzt können sie sich kennenlernen. Wir können ihnen dazu die Möglichkeit geben und so – jenseits von Politik – einen sinnvollen Beitrag zur Völkerverständigung leisten.
Wichtig finde ich die interkulturelle Vorbereitung beim Schüleraustausch. Ich biete dazu Beratung und Workshops an.
Bei Interesse freue ich mich auf Ihre Anfrage: mail@chinesischunterricht.de