Dieses Foto hat mir eine Freundin geschickt. Wem ist der Weihnachtsstern gewidmet? Die Karte verrät es uns.

Meine Freundin hat das Foto im „艋舺龙山寺 Mĕngjiǎ Lóngshānsī“ aufgenommen – im „Drachenberg-Tempel“ im Stadtteil Wanhua in Taipei.

Der Weihnachtsstern auf dem Foto ist Opfergabe einer buddhistischen Gläubigen an Guanyin, die als Bodhisattva des Mitgefühls meist verehrte Gottheit des Buddhismus in China.

Auf der Karte an Guanyin hat die Besucherin geschrieben:
恭祝观音佛祖 / 耶诞快乐 / 吉祥如意 /
Respektvoll wünsche ich Buddha Guanyin / Viel Glück zur Geburt Jesu / Alles Gute!
Frei übersetzt: „Ich wünsche unserer buddhistischen Gottheit Guanyin frohe Weihnachten!“

Für mich ist das „typisch chinesisch“. Keine Religion wird ausgegrenzt! Ich finde das wunderbar, dass sich so die Kulturen über die Religionen verbinden!

Noch ein paar Anmerkungen zum Thema:

Zu Guanyin:
Eine Abbildung einer Marmorskulptur von Guanyin aus dem 6. Jh. findet man im Buch „Das Alte China: eine Kulturgeschichte“ von Thomas O. Höllmann – ein Text führt dazu in die Geschichte der „Buddhas und Bodhisattvas“ ein. Dieses wunderbar gestaltete Buch erläutert anhand von 60 ausgewählten archäologischen Fundstücken die Kulturgeschichte Chinas vom Beginn der Kaiserzeit bis zur Eroberung Chinas durch die Mongolen – lesenswert!

Zur Blume:
Der Weihnachtsstern, chin. 一品紅, 圣诞红 oder 圣诞花,scheint in Taiwan nicht heimisch zu sein, gilt auch dort als Weihnachtsblume.

Und noch etwas fällt mir zu dieser Geschichte ein:
Der Tempel in China ist ein Ort der Begegnung, nicht der Stille, das Leben wird integriert, wie auf diesem Bild zu sehen:

Das Foto habe ich 1979 in einem Tempel am Straßenrand in Hsinchu (Taiwan) aufgenommen.

Ich erinnere mich vor allem an die Studienzeit in Xinzhu. Wenn man etwas erleben wollte, ging man in den 城隍庙 , den Haupttempel der Stadt. Gleich nebenan war ein „Esstempel“ mit gelegentlichen Theateraufführungen, und wenn man Glück hatte, konnte man eine Zeremonie verfolgen, bei der ein Medium in Trance Botschaften aus dem Jenseits an den Priester vermittelte.

Auch dazu ein Lese- (und Hör-)Tipp:
Das Kapitel über den Tempelwächter in „Francoise Hauser: In achtzig Fettnäpfchen um die Welt“, zum Hören hier. Im Tempel steppt der Bär!

In diesem Sinne:
Ein schönes Weihnachtsfest und alles Gute für 2021, vor allem Gesundheit – verbunden mit dem Wunsch, sich den Longshan-Tempel in Taibei einmal persönlich – am besten recht bald! – anzuschauen.